Ria Cuppers: Nur in der Praxis zu therapieren reicht nicht aus

Trine Roald
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Wir haben die belgische Physiotherapeutin Ria Cuppers getroffen, um ihre Ansichten über Steh- und Gehtherapien für Kinder mit Behinderungen mit ihr zu diskutieren.

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Ria ist eine der Erfinderinnen des Hibbot, einer neuen innovativen Gehhilfe für Kinder mit körperlichen Behinderungen. Als Made for Movement vor Kurzem Medical Robots, das Unternehmen hinter dem Hibbot, übernahm, haben wir mit Ria über ihre Arbeit gesprochen - über Hilfsmittel und darüber, warum es für Kinder mit Behinderungen wichtig ist, die Behandlung auch außerhalb der Praxis fortzusetzen.

Made for Movement (MfM): Kannst Du uns ein wenig über deinen Hintergrund erzählen?

Ria: Ich arbeite seit 34 Jahren als Kinder-Physiotherapeutin in meiner eigenen Praxis. Ich arbeite überwiegend mit Kindern mit Zerebralparese, aber auch mit anderen Krankheiten wie neuromuskulären Erkrankungen, genetischen Syndromen, Spina Bifida und Schädel-Hirn-Traumata.

MfM: Was ist Dein Ansatz bei der Arbeit als Physiotherapeutin?

Ria: Ich musste immer wieder feststellen, dass die Therapiezeit in der Praxis beschränkt und leider meistens absolut nicht ausreichend ist. Deshalb müssen Eltern und Betreuer Anleitung und Supervision in der Positionierung, im Handling und in der Anwendung von Hilfsmitteln erhalten. Dabei ist es sehr wichtig, dass das Kind selbst aktiv wird und sich beteiligt.

Ich finde es außerdem wichtig, sich laufend fortzubilden, weil der Bereich der Kinder-Rehabilitation sehr komplex ist.


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MfM: Welches Training wird normalerweise angeboten, wenn ein Kind mit einer Behinderung das Gehen und Stehen lernt?

Ria: Erstmal muss das Kind lernen, seine Haltung im Stehen zu kontrollieren. Die Kinder brauchen um das Gehen zu lernen meist manuelle Unterstützung auf der Höhe des Beckens, da die Beckenstabilität oft ein großes Problem darstellt. Wenn sie lernen, die posturale Kontrolle zu erhalten, während sie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagern, ist das eine gute Vorbereitung auf das Gehen. Ich ermögliche diese Art von Bewegung indem ich das Kind im Stehen und beim Gehen auf der Höhe des Beckens stütze.

Es geht also bei der Fortbewegung nicht nur darum, kräftige oder entwickelte Muskeln zu haben - man muss sie auch kontrollieren und die richtigen Muskeln zur richtigen Zeit aktivieren. Auch das müssen die Kinder lernen.

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Ria Cuppers playing in the park with a small boy in his Hibbot assitive device

MfM: In welchem Alter würdest Du eine Gehhilfe für ein Kind in Erwägung ziehen?

Ria: Ich würde so früh wie möglich selbst selbstinitiierte Bewegungen fördern. Evidenzbasierte Untersuchungen haben ergeben, dass die Plastizität des Gehirns umso höher ist, je jünger das Kind ist. Es ist also von Vorteil, früh anzufangen.

Es kann jedoch schwierig sein, die richtige Gehhilfe zu finden, weil jedes Kind individuell ist und seine eigenen Bedürfnisse und Probleme hat. Es sollten keine Geräte eingesetzt werden, bei denen die Arme übermäßig genutzt werden, um das Gleichgewicht zu halten, wie bei einigen Gehhilfen, die momentan auf dem Markt sind. Aktiv und mobil zu sein ist toll, aber man darf darüber nicht vergessen, dass Gewichtsübernahme und die Aktivierung der Muskeln, die der Schwerkraft entgegenwirken, auch sehr wichtig sind.

MfM: Was vermisst Du innerhalb und außerhalb der Therapie besonders, um diese Kinder beim Gehen zu unterstützen?

Ria: Evidenzbasierte Untersuchungen haben erwiesen, dass die Intensität, die Dauer und die Spezifizität des Trainings eine wichtige Rolle spielen. Die Kinder müssen regelmäßig daran arbeiten, aber man muss sie zum Weitermachen motivieren. Sie müssen in ihrer eigenen Umgebung involviert werden. Wenn man das nur auf die Therapie in der Praxis beschränkt, dann reicht das wahrscheinlich meist nicht aus. Das Training sollte idealerweise auch regelmäßig außerhalb der Praxis stattfinden, im Kindergarten, in der Schule und natürlich zuhause.

MfM: Und hier kommen dann die Gehhilfen ins Spiel?

Ria: Hilfsmittel können hilfreich sein, aber es ist schwierig eins zu finden, dass die Struktur und Funktion des Körpers einerseits berücksichtigt und andererseits Aktivität und Beteiligung fördert. Ein Hilfsmittel sollte außerdem leicht, gut zu handhaben und bequem zu transportieren sein, außerdem sollte es gut aussehen und das Kind sollte leicht hinein- und herauskommen. Außerdem muss in der Lernphase gewährleistet sein, dass die Balance zwischen Unterstützung und Herausforderung stimmt. Also die ideale oder perfekte Gehhilfe, die alle Bedürfnisse erfüllt, gibt es wohl zurzeit noch nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass man es bei den täglichen Aktivitäten schafft, verschiedene Hilfsmittel einzusetzen.

Aktivitätenleitfaden für kinder mit behinderungn

Trine Roald
Trine Roald

Die Autorin war sieben Jahre als Marketingleiterin bei Made for Movement tätig, bevor sie sich zu neuen Abenteuern im eigenen Unternehmen aufmachte. Trine Roald verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Erfahrung in verschiedenen Branchen. In ihrer Funktion bei Made for Movement hat sie sich leidenschaftlich dafür eingesetzt, anderen durch echte Beispiele, Geschichten und Fachwissen zu vermitteln, wie die Lebensqualität von Menschen mit schweren Behinderungen verbessert werden kann.

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